FRAUEN AM BAUHAUS

 

HELENE NONNÉ-SCHMIDT

(1891-1976)

 

geboren in magdeburg

kunst- und werklehrerin

 

1923–1930

studentin am bauhaus

 

1953–1956

dozentin an der hfg ulm

Die bildnerisch arbeitende Frau wendet sich meistens und am erfolgreichsten der Fläche zu. Das erklärt sich aus der ihr fehlenden, dem Manne eigentümlichen räumlichen Vorstellungskraft. Natürlich gibt es auch hier individuelle und graduelle Unterschiede, wie ja auch die Wesensart der beiden Geschlechter selten rein maskulin oder feminin ist.

 

Dazu kommt, daß das Sehen der Frau ein gewissermaßen kindliches ist, denn gleich dem Kinde sieht sie das Einzelne und nicht das Allge­meine.

 

Man kann das nicht als Mangel ansprechen, denn es ist einfach ihr "So"-sein und gibt ihr den größeren Reichtum an Nuancen, der dem umfassenderen Blick verloren geht, nur sollte man sich nicht darin täuschen, dass dieses Wesen sich ändern wird, trotz aller Errungenschaften der Frauenbewegung, trotz aller Studien und Versuche: Ja, es sind sogar Anzeichen vor­handen, dass die Frau diese ihre Beschränkung in Rechnung stellt mit dem Bewusstsein, gerade darin ein großes Plus zu besitzen …

 

Innerhalb des Bauhauses nun und seiner Werkstätten wendet sich die Frau überwiegend der Arbeit in der Weberei zu, und sie findet dort die weitesten Möglichkeiten für sich. Die Weberei ist die Verbindung unendlicher Vielheiten zur Einheit, das Kreuzen vieler Fäden zum Gewebe. Es ist einleuchtend, wie sehr dieses Arbeitsgebiet der Frau und ihrer Begabung ent­spricht.

 

Das Bauhaus arbeitet im Aufgabenkreis des Hausbaues und seiner Einrichtung. Wie fügt sich nun die Weberei hier ein?

 

Immer mehr finden beim Hausbau die künstlichen Materialien gegenüber den natürlichen den Vorzug, teils aus technischen oder wirtschaftlichen, teils aus hygienischen Gründen. Warum beschäftigt man sich noch immer weiter mit der Her­stellung von Geweben und sucht nicht nach ganz neuen Mate­rialien, die einem gewebten Stück entsprechen, also färbbar, elastisch, beliebig groß herstellbar, leicht teilbar, weich und vor allem wirtschaftlich vorteilhaft sind, ohne dem mühe­vollen und trotz äußerster Kompliziertheit der Technik formal begrenzten Prozeß des Webens unterworfen zu sein?

 

Denn die Wirkerei, die allmählich die Weberei zu verdrängen scheint, ist auch noch kein Schritt in dieser Richtung, wo es sich darum handelt, einen möglichst schwer zerreiss- und verletzbaren Stoff zu erzeugen. Wir haben heute Flugzeuge, Radio, können fernsehen - das hat sich alles in verhältnismäßig kurzer Zeit entwickelt. So wird es sicher eines Tages auch solch ein neues künstliches Material geben. Aber das ist eine Aufgabe der chemischen Industrie und der Universitätslaboratorien.

 

Sobald dieser Stoff erfunden ist und sich vorteilhaft herstellen läßt, wird für uns die Weberei erledigt sein.

 

Das Gebiet der Frau im Bauhaus

 

helene nonné-schmidt (1891–1976)

 

1908–1913

kunstgewerbeschule magdeburg

 

1913–1919

königliche kunstschule berlin, staatsexamen für kunst- und werkunterricht

1919–1924

unterricht an der frauenschule magdeburg

 

1919-1924

studium am bauhaus weimar

 

1925

heirat mit joost schmidt (meister am bauhaus, ab 1945 professor an der hochschule für bildende künste berlin, gestorben 1948)

 

1925–1929

studium am bauhaus dessau,

1929

bauhaus-diplom

 

1933–1945

»kulturbolschewist«

 

1953–1958

gastdozentin an der hochschule für gestaltung ulm. spezialisierung: farblehre

 

1961

übersiedelt sie der Nachlassbearbeitung ihres Mannes wegen nach Darmstadt, dem damaligen Sitz des Bauhaus-Archivs. 

 

Sie stirbt 1976 in Darmstadt.